Bargeld hat gegenüber den ganzen digitalen Bezahlsysteme wichtige Vorteile, z.B. die Privatheit und Anonymität des Zahlungsverkehrs sowie die weite Akzeptanz und Verfügbarkeit. Natürlich gibt es aber auch viele offensichtliche Nachteile, die sich ganz gut durch Alternativen umgehen lassen. Und so bezahle ich selbst in meinem privaten Umfeld meistens mit EC/Apple Pay, Kreditkarte oder anderen privaten Anbietern wie z.B. PayPal.
Weil ich faul bin und es einfach so schön einfach funktioniert.
Europa muss sich ja zurecht vorwerfen lassen, dass es ständig gegenüber ausländischen Unternehmen hinterherhinkt (oder ehrlicherweise noch nicht mal aufgewacht ist). Daher fand ich es interessant, wie ein Verbund europäischer Banken im Juli 2024 den Dienst „Wero“ gestartet hat (ein Kunstwort aus „We“ und „Euro“), um beispielweise dem Platzhirsch PayPal eine Alternative von unserem Kontinent entgegenzusetzen.
Im Netz finden sich natürlich viele Kritiker, die monieren, dass der Dienst nicht durch alle nutzbar ist und keinen Mehrwert bietet und und und. Meine persönliche Meinung ist, dass ich den Versuch alleine schon begrüßenswert finde, und das Unterfangen durch den Netzwerkeffekt leider auch vor fast unmögliche Markteintrittshürden gestellt wird. Daher die Devise: Der Sache eine Chance geben und das Ganze mal anschauen. Local for local!
Die Fakten
In Kürze mal das Wichtigste im Überblick:
- Um Wero zu nutzen, braucht man ein Girokonto bei einer Sparkasse, einer Genossenschaftsbank oder bei der Deutschen Bank.
- Wero hat im Dezember 2024 schon 17 Millionen registrierte Benutzer.
- Die Bezahlgrenze ist aktuell bei 1000€, kann je nach Bank aber auch niedriger liegen.
- Damit ist es vor allem initial für privaten Geldtransfer gedacht .
- Ein Geldtransfer wird über eine Echtzeitüberweisung direkt umgesetzt in Sekunden.
- Mitte 2025 soll das Bezahlen in Onlineshops ermöglicht werden als nächste Stufe.
Der Selbsttest
Ganz naiv habe ich mir zuerst die Wero App auf dem Smartphone installiert. Erstes Learning: Die App selbst ist noch nicht funktional, es gibt vor allem einen Verweis in die eigene App der hoffentlich teilnehmenden Hausbank. Also habe ich Wero dort aktiviert (in meinem Fall Sparkasse). Als ID dient die eigene Mobilnummer, diese ist dort zum Glück auch änderbar.
Die Akzeptanz ist dann schon eher das größere Problem, ich musste im Freundeskreis erstmal rumfragen, wer den Dienst mal mit mir testen möchte. Dort waren die Vorbehalte spürbar („GiroPay war ja auch schnell wieder weg“), oder es war durch die limitierten teilnehmenden Banken gar nicht möglich.
Als ich dann doch jemanden gefunden hatte ging alles sehr einfach und direkt.
Und: Das Geld landet direkt auf dem verknüpften Girokonto (man spart sich das dedizierte Abbuchen, wie etwa bei der Konkurrenz).
Fazit
Ja, Wero steht noch merklich am Anfang und lässt viele Funktionen noch vermissen. Für mich ist das OK, denn man muss überhaupt mal mit so etwas wie einem MVP („Minimum Viable Product“) starten. Das gelingt ganz gut, finde ich. Die Usability passt und ich hatte keinerlei Reibungspunkte bei der Einrichtung.
Lediglich beim eigentlich Verwenden war es nicht so einfach, ein passendes Gegenüber zu finden. So ist das leider mit dem Netzwerkeffekt.
Aber ich bleibe mal noch standhaft und versuche es weiter zu nutzen. Für Europa!
Hier erfährst Du, ob Deine Bank mitmacht.
Ein interessanter Artikel, der viele wichtige Punkte über die Herausforderungen europäischer Zahlungssysteme anspricht. Leider zeigt sich hier wieder, warum es Europa schwerfällt, ein eigenes, konkurrenzfähiges Zahlungssystem wie Wero zu etablieren – und warum sogar etablierte Systeme wie die Girocard auf dem Rückzug sind.
Einige zentrale Aspekte, die meines Erachtens zu beachten sind:
1. Fragmentierung des europäischen Marktes: Unterschiedliche nationale Interessen und regulatorische Vorgaben machen eine Harmonisierung schwierig. Was in Deutschland funktioniert, ist in Frankreich oder Italien oft irrelevant.
2. Innovationsdefizit der Banken: Europäische Banken agieren oft konservativ und priorisieren Stabilität über Innovation. Systeme wie paydirekt oder Giropay waren entweder zu spät oder nicht nutzerfreundlich genug, um PayPal ernsthaft herauszufordern.
3. Dominanz globaler Anbieter: Visa, Mastercard, PayPal und Co. haben längst die Marktführerschaft übernommen. Mit Netzwerkeffekten und tiefen Integrationen in globale Plattformen wie Apple Pay oder Google Pay sind sie praktisch unschlagbar.
4. Abschied von der Girocard: Die Girocard ist zu national und bietet zu wenige Funktionen, um langfristig zu überleben. Händler und Banken setzen zunehmend auf international einsetzbare Debitkarten mit Visa- oder Mastercard-Branding.
5. Fehlender Pioniergeist: Im Vergleich zu Startups aus den USA fehlt Europa oft der Mut, disruptive Innovationen im Bereich Payments zu entwickeln und durchzusetzen. Stattdessen gibt es lokale Insellösungen, die in der breiten Masse keine Akzeptanz finden.
6. Kulturelle Unterschiede: Verbraucher in Europa, insbesondere in Deutschland, bevorzugen oft Bargeld oder sichere Überweisungslösungen. Digitale Zahlungsmethoden haben es schwer, sich durchzusetzen, wenn sie Datenschutzbedenken nicht aktiv adressieren.
Europa braucht dringend eine einheitliche Vision für ein paneuropäisches Zahlungssystem. Projekte wie die European Payments Initiative (EPI) sind Schritte in die richtige Richtung, aber ohne konsequente Zusammenarbeit der Banken und staatliche Unterstützung wird es schwer, die Dominanz der US-amerikanischen Zahlungsanbieter zu brechen.
Die Frage bleibt: Können solche Projekte wie Wero tatsächlich Mehrwert bieten, oder werden sie – wie Giropay oder paydirekt – letztlich nur Nischenlösungen bleiben?
Danke für den ausführlichen und hilfreichen Kommentar, Joachim!
Tja, was ist der echte Mehrwert? Das ist richtigerweise wohl eine der Kernfragen. Und hier gibt es im Fall von Wero noch nicht so viel, leider. Privatunternehmen mit zu viel Marktmacht wie PayPal können aus meiner Sicht etwas Konkurrenz gebrauchen. Und: Die Überweisungen finden direkt zwischen den Girokonten statt, das ist wirklich mehr „gute UX“ als bei PayPal für mich. Leider musste ich heute wieder feststellen, dass noch nicht mal alle Sparkassen dabei sind, es war mir nicht möglich, Geld an die Sparkasse Südpfalz zu senden. Und der Use Case war echt, nicht konstruiert.